Mittel zur Anwendung am Auge S01 Ophthalmika

Veröffentlicht am: 09.01.21

Als Ophthalmika werden alle Arzneimittel bezeichnet, die bei Erkrankungen des Auges direkt am oder im Auge angewendet werden.

Es handelt sich um eine sehr heterogene Indikationsgruppe: Da die hier zusammengefassten Arzneimittel die medikamentöse Therapie der gesamten Augenheilkunde umfassen, werden sehr viele Teil-Indikationsgruppen unterschieden.

Von größter Bedeutung hinsichtlich des Verbrauchs sind die Mittel zur Behandlung des Glaukoms. Mit Glaukom bezeichnet man eine Schädigung des Sehnervs, die zu Sehstörungen führt und im schlimmsten Fall auch eine Erblindung zur Folge haben kann. Häufigste Ursache des Glaukoms ist ein erhöhter Augeninnendruck. In Bezug auf die Ausgaben sind die Mittel zur Behandlung der Makuladegeneration relevant. Die Makula (gelber Fleck) gehört zur Netzhaut und umfasst den Bereich des schärfsten Sehens. Die Makuladegeneration ist in Deutschland die häufigste Ursache für Erblindung. Die derzeit verfügbaren Arzneimittel dienen überwiegend der Behandlung der sogenannten feuchten Form der altersbedingten Makuladegeneration (AMD), die häufiger und rascher zum Verlust der Sehkraft führt als andere Formen der AMD.

Teil-Indikationsgruppen

Die Ophthalmika verteilen sich auf über zehn verschiedene Teil-Indikationsgruppen, die teilweise eine große Zahl an Wirkstoffen umfassen.

Bei der häufigsten Form des Glaukoms, dem Offenwinkelglaukom, kommt es durch ein Ungleichgewicht zwischen Kammerwasserproduktion und -abfluss zu einem erhöhten Augeninnendruck, was unbehandelt zur Schädigung des Sehnervs und schlimmstenfalls zur Erblindung führen kann. Die Glaukommittel senken den Augeninnendruck, z. B. indem sie die Produktion von Kammerwasser hemmen oder dessen Abfluss erleichtern.

Die Teil-Indikationsgruppe der Entzündungshemmenden Mittel (Antiphlogistika) umfasst die am Auge angewendeten entzündungshemmenden Arzneimittel. Die Mittel werden zur symptomatischen Therapie bei entzündlichen Reaktionen oder Prozessen unterschiedlicher Ursache am Auge eingesetzt. Dazu gehören z. B. schwere allergische Reaktionen, Uveitis oder Keratitis, bei denen Kortikosteroide eingesetzt werden. Nichtsteroidale Antiphlogistika kommen z. B. bei postoperativen Entzündungen nach Kataraktoperationen zum Einsatz.

Als Antiinfektiva bei bakteriellen Infektionen des Auges werden lokal vor allem Antibiotika eingesetzt.

Das Anwendungsgebiet für die antiviralen Mittel ist die durch Herpesviren ausgelöste Keratitis.

Wirkstoffe der Teil-Indikationsgruppe Mydriatika und Zykloplegika führen zu einer Erweiterung der Pupille und zu Akkommodationsstörungen. Die pupillenerweiternde Wirkung des ältesten Mydriatikums (Atropin) war schon in der Antike bekannt, und entsprechende Pflanzenextrakte wurden deshalb zu kosmetischen Zwecken eingesetzt. Die mydriatische Wirkung von Atropin hält über Tage an, weshalb es vor allem zu therapeutischen Zwecken eingesetzt wird, z. B. zur Ruhigstellung von Iris und Ziliarapparat bei Entzündungsprozessen im Auge. Eine Erweiterung der Pupille wird auch häufig für die Augenspiegelung durchgeführt, wobei dann kurzwirksame Atropinderivate eingesetzt werden.

Bei der Teil-Indikationsgruppe der Anderen Ophthalmika handelt es sich um eine heterogene Gruppe an Wirkstoffen, die überwiegend zur unterstützenden Therapie am Auge eingesetzt werden. Sie werden z. B. eingesetzt, wenn das Auge zu wenig Tränenflüssigkeit bildet oder bei anderen Ursachen für „trockene Augen“. Eine Ausnahme bilden die limbalen Stammzellen: Bei schweren Verletzungen des Auges kann es zu einer Limbusstammzellinsuffizienz kommen. Fehlen diese Stammzellen, kann die Hornhaut nicht mehr instand gehalten werden und es wachsen Gefäße und Epithelzellen der Bindehaut über die Hornhaut ein, was letztlich zur Erblindung führt.

Die Mittel bei Makuladegeneration können zur Behandlung der feuchten Form der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) und teilweise bei weiteren Formen der Gefäßneubildung oder des Makulaödems eingesetzt werden. Bei der feuchten Form des Makulaödems kommt es zu krankhaften Gefäßneubildungen an der Netzhaut. Diese Blutgefäße haben häufig pathologisch veränderte Gefäßwände, aus denen Flüssigkeit und Blut austreten können. Durch diese Veränderungen kommt es zu einer zunehmenden Sehverschlechterung bis hin zur Erblindung. Die Mittel bei Makuladegeneration wirken der Gefäßneubildung und deren Folgen entgegen.

Bei der vitreomakulären Adhäsion oder Traktion kommt es zu Verformungen oder Beschädigung der Netzhaut und entsprechenden Sehstörungen. Ursache ist eine Abhebung des Glaskörpers von der Netzhaut, die im Alter nicht so selten ist. Wenn Glaskörper und Netzhaut allerdings noch durch Kollagenfasern miteinander verbunden sind, übt der Glaskörper einen Zug auf die Netzhaut aus. Durch eine Protease können diese Kollagenverbindungen gelöst werden.

Die Cystinose ist eine seltene Erkrankung, bei der es zu einer Ansammlung von Cystin in bestimmten Geweben kommt, u. a. in der Hornhaut des Auges, wo es zu Sehstörungen führt. Durch das Aminothiol Mercaptamin kann Cystin aufgelöst und die Ablagerungen so reduziert werden.

Die neurotrophe Keratitis ist ebenfalls eine seltene Erkrankung und wird durch eine Schädigung des Trigeminusnervs ausgelöst. Cenegermin entspricht dem körpereigenen Nervenwachstumsfaktor und fördert die Reparatur der bei der neurotrophen Keratitis auftretenden Schäden an der Hornhaut des Auges.

Für die erbliche Netzhautdystrophie sind bisher sehr viele genetische Veränderungen als Ursache bekannt, bei ca. 10 % der Patienten ist das RPE65-Gen betroffen. In den Fällen, bei denen das Gen für das Protein RPE65 auf beiden Chromosomen durch Mutationen verändert ist, steht eine Gentherapie zur Verfügung. Voretigen Neparvovec ist ein viraler Vektor, der die Information für funktionsfähiges Protein RPE65 in die Netzhautzellen einschleust. Durch die Therapie kann die Fehlfunktion teilweise ausgeglichen werden und z. B. die Orientierung unter schwierigen Lichtverhältnissen verbessert werden.

Therapieansätze

Entsprechend der heterogenen Zusammensetzung der Indikationsgruppe der Ophthalmika werden sehr viele Therapieansätze unterschieden. Im Wesentlichen basierend auf dem Verbrauch und der Höhe der Ausgaben sollen die wichtigsten Therapieansätze an dieser Stelle etwas detaillierter beschrieben werden.

Die Betablocker werden beim Glaukom zur Senkung eines erhöhten Augeninnendrucks eingesetzt. Betarezeptoren finden sich am Auge u. a. am Ziliarkörper und an den Blutgefäßen. Am Ziliarkörper ist die Linse aufgehängt, er spielt bei der Akkomodation eine Rolle und bei der Kammerwasserproduktion. Wie genau Betablocker die Kammerwasserproduktion beeinflussen, ist unklar. Diskutiert wird einerseits, dass über Stimulation von Betarezeptoren die Kammerwasserproduktion angeregt wird. Eine Hemmung der Rezeptoren würde also die Kammerwasserproduktion reduzieren. Eine andere Möglichkeit ist, dass durch Betablocker der Blutfluss in den Gefäßen des Auges reduziert und in dessen Folge die intraokuläre Flüssigkeitsproduktion vermindert wird.

Carboanhydrasehemmer hemmen das Enzym Carboanhydrase. Carboanhydrasehemmer wurden vor Jahrzehnten als Diuretika entwickelt. Die augendrucksenkende Wirkung systemischer Carboanhydrasehemmer ist lange bekannt, doch sind diese für die Therapie des Glaukoms aufgrund des ungünstigen Nebenwirkungsprofils weniger geeignet. Inzwischen stehen lokal anwendbare, nur am Auge wirkende Carboanhydrasehemmer zur Verfügung. Carboanhydrase findet sich in Zellen des Ziliarköpers und bildet hier Bicarbonationen, regt dadurch den Flüssigkeitstransport und somit die Kammerwasserproduktion an. Durch eine Hemmung des Enzyms wird daher weniger Kammerwasser produziert.

Kortikosteroide haben vielfältige Wirkungen auf die verschiedensten Prozesse im Körper. Am Auge werden sie wegen ihrer starken entzündungshemmenden Wirkung eingesetzt. Kortikosteroide wirken bei Entzündungsprozessen nicht ursächlich, sondern lediglich symptomatisch. Diese symptomatische Therapie ist dennoch relevant, um bei schweren Entzündungen das Gewebe vor den Schäden durch entzündliche Prozesse zu schützen, am Auge z. B. die Hornhaut. Nachteilig ist jedoch, dass die Wirkstoffe z. B. den Augeninnendruck erhöhen und bei längerer Anwendung Infektionen des Auges begünstigen können.

Prostaglandinanaloga gehören zu den am häufigsten eingesetzten Mitteln beim Glaukom. Wie ihr Name schon sagt, ähneln sie den Prostaglandinen, also körpereigenen Gewebshormonen. Im Organismus werden zahlreiche Prostaglandine freigesetzt, und ihre Wirkungen an den Prostaglandinrezeptoren sind außerordentlich vielfältig und zum Teil entgegengesetzt. Der genaue Wirkmechanismus beim Glaukom ist nicht bekannt. Insgesamt sorgen Prostaglandinanaloga dafür, dass der Kammerwasserabfluss erhöht wird.

VEGF-Antagonisten hemmen die Wirkung des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF). VEGF spielt eine treibende Rolle bei der sogenannten feuchten Form der altersbedingten Makuladegeneration (AMD), aber auch bei anderen pathologischen Prozessen wie z. B. der diabetischen Retinopathie. Es kommt zu einer krankhaften Gefäßneubildung unter der Netzhaut, und aus den Gefäßen treten vermehrt Flüssigkeit oder Blut aus, wodurch das Sehvermögen langfristig irreparabel geschädigt wird. VEGF-Antagonisten hemmen die Wirkung von VEGF und greifen damit direkt in den pathologischen Prozess ein. Der Einsatz von VEGF-Antagonisten bei der AMD wird in der Leitlinie des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands (BVA) und der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) als einzige etablierte medikamentöse Therapie genannt (BVA und DOG 2015).

Literatur

  • Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V. (BVA) und Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft e.V. (DOG). Leitlinie Nr. 21. Altersabhängige Makuladegeneration (AMD). Stand Oktober 2015, augeninfo.de/leit/leit21.pdf (17.08.2020)